26.09.2002 / WR-Lokalausgabe Schwerte

"Geduld haben - und ein Stück blind fliegen"

Ein guter alter Bekannter steht vor seiner Rückkehr ins Marienhospital. Voraussichtlich im Spätherbst befreien ihn dort Ärzte von Nägeln und Metallplatten, die dem heute 21-jährigen, einstmals verkrüppelten rumänischen Heimkind Vasile auf die Beine verhalfen. Bekanntlich hatte der Verein Sterntaler, der mit dem Fachbereich Sozialpädagogik der Fachhochschule Dortmund in einem Projekt für vergessene Kinder in rumänischen Kinderheimen engagiert ist, Vasile zu einem Aufenthalt in Deutschland verholfen. Namentlich Brigitte Schweppe, inzwischen pensionierte Dozentin aus Ergste, hatte sich aufopferungsvoll um den jungen Mann gekümmert, ihm Unterkunft gegeben und mit dem Marienhospital gemeinsam die mediznische Versorgung organisiert. Nach vielen Monaten in Schwerte verließ Vasile operiert und in der Lage, an nur noch einer Krücke zu laufen, die Ruhrstadt. Was war das eine Freude für die, die ihm geholfen hatten, und vor allem für den Rumänen selbst: Auf allen Vieren, verwahrlost und ohne menschlichen Zuspruch war er ursprünglich über die Flure des Heimes im rumänischen Oravita gekrochen, hatte sich später auf zwei Krücken mühsam fortbewegt und war nun stolz, zum ersten Mal in seinem Leben eine Hand frei zu haben, von Zeit zu Zeit sogar ganz auf die Gehhilfen verzichten zu können. In der Zwischenzeit sahen sich Mitglieder des Vereins Sterntaler in Vasiles Heimat um, sechs Studenten der FH absolvierten ein zehnwöchiges Praktikum im Kinderheim. Dort hat es eine Entwicklung gegeben, über die sich der Verein freut, die allerdings noch nicht endgültig realisiert ist. Gemeinsam mit einer australischen Hilfsorganisation "Australian Home Missions" hat Sterntaler die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Vasile und vier weitere Heimbewohner im Alter von über 18 Jahren in einem eigenen Haus abseits des Heimes in einer Art betreutem Wohnen leben könnten. Was fehlt, ist ein Genehmigungsstempel der rumänischen Behörden, die ausländisches Engagement mit reichlich Misstrauen betrachten Auch Vasiles Rückkehr nach Schwerte ist bisher nur mündlich versprochen, nicht schriftlich zugesagt. Dabei, sagt Brigitte Schweppe, muss er dringend hierher kommen, denn die Platten müssen aus den Beinen herausoperiert werden. Und vielleicht, hofft die Ergsterin, findet sich noch einmal jemand in Schwerte, der Vasile neue orthopädische Schuhe spendiert. Im letzten Jahr gab der Lions Club das Geld, bei Hitzegrad wurden die wertvollen Gehhilfen gefertigt. Brigitte Schweppe jedenfalls lässt sich trotz aller Schwierigkeiten in ihrem Engagement nicht entmutigen. Denen, die für das Kinderheim in Oravita bisher schon gespendet haben, und jenen, die angesichts der bürokratischen Hürden in Rumänien ihre Zweifel an der Wirksamkeit der Arbeit von Sterntaler haben, gibt sie eine Aufmunterung des niederländischen Ordenspriesters Phil Bosmans mit auf den Weg: "Geduld haben . . . und ein Stück weit blind fliegen."

M. Kowitzke